Urlaubsrückkehr aus Risikogebieten
Was Arbeitgeber wissen müssen
Stand 18.08.2020
Wie geht man mit Mitarbeitern um, die Urlaub in Corona-Risikogebieten gemacht haben? Darf man sie beurlauben bis eine Infektion ausgeschlossen werden kann? Muss man bis dahin Vergütung zahlen? Das Thema „Urlaub im Risikogebiet“ ist rechtlich noch weitgehend ungeklärt und erst recht nicht höchstrichterlich entschieden. Derweil halten wir die folgende rechtliche Bewertung für plausibel:
1. Urlaubsort noch unklar?
Solange der Urlaubsort unklar ist und der Arbeitnehmer dazu auch keine Auskunft gibt, sollte der Arbeitgeber ihn unbezahlt nach Hause schicken.
- Fragerecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber dürfte das Recht haben, Reiserückkehrer nach dem Urlaubsort zu fragen. Denn er hat eine Fürsorge- und Schutzpflicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern zur Erhaltung der Gesundheit hat (§§ 241 Abs. 2, 618 BGB). Er muss Arbeitnehmer nach § 618 BGB vor einer Ansteckung durch erkrankte Arbeitskollegen und vor einer Infektion durch Dritte schützen.
- Arbeitnehmer antwortet nicht
Erhält der Arbeitgeber keine Antwort, muss man ihm wohl das Recht geben, die Beschäftigung vorsorglich zu verweigern – sonst kann er seiner Schutzverpflichtung ja nicht effektiv nachkommen. Verweigern darf er dann wohl so lange, bis die Corona-Gefahr der Reise gebannt ist – also 2 Wochen.
- Keine Lohnfortzahlung
Der Arbeitgeber muss in der Zeit seiner Verweigerung nicht zahlen: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Auch Verzugslohn gem. § 615 BGB muss er auch nicht zahlen. Denn er ist mit der „Annahme der Dienste“ ja nicht in Verzug. In Annahmeverzug kommt er nicht, solange er die Annahme der Arbeitsleistung zu Recht verweigert. Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) muss er nicht zahlen, weil der Arbeitnehmer ja nicht „arbeitsunfähig“ ist (zumindest solange kein Attest vorliegt). Und „verhindert“ im Sinne des § 616 BGB ist der Arbeitnehmer ja auch nicht – er könnte ja arbeiten.
2. Urlaubsort ist bekannt und als Risikogebiet identifiziert
War der Arbeitnehmer im Risikogebiet, darf der Arbeitgeber die Beschäftigung erst recht verweigern – und zwar so lange, bis die Gefahr gebannt ist: Bis ein Test vorliegt oder die 2 Wochen Quarantäne abgelaufen sind. So lange dürfte der Arbeitnehmer ja sowieso nicht arbeiten. Zahlen muss der Arbeitgeber nur, soweit der Arbeitnehmer es nicht verschuldet hat, dass er nicht arbeiten kann.
Urlaubsort wurde während des Urlaubs zum Risikogebiet
- Vergütung bis zum Testergebnis
Der Arbeitnehmer dürfte zunächst gemäß § 616 BGB einen Anspruch auf Bezahlung haben. Denn durch seine Quarantänepflicht ist er ja daran „verhindert“, die vertraglich vereinbarten Dienste zu erbringen. Er ist auch schuldlos verhindert, wenn er nicht wissen konnte, dass sein Urlaubsort zum Risikogebiet wird und er nach seiner Rückkehr in Quarantäne gehen muss. Fraglich ist nur, wie lange er schuldlos an der Erbringung seiner Dienste gehindert ist: Er wird sich kaum über die ganzen 2 Wochen der Quarantäne zurücklehnen können und darauf verweisen, dass er schuldlos auf der Arbeit fehle. Immerhin muss ein Arbeitnehmer alles tun, um seine Arbeitsfähigkeit alsbald wieder herzustellen. Daher dürfte es ihm zumutbar sein, sich unverzüglich nach seiner Rückkehr testen zu lassen. unterlässt er dies, kann irgendwann nicht mehr von einer „unverschuldeten Verhinderung“ gesprochen werden. Es empfiehlt sich daher, dem Arbeitnehmer nur diejenigen Tage zu zahlen, die es gebraucht hätte, einen Corona-test zu machen und das Testergebnis zu erhalten.
- Vergütung im Falle einer Infektion
Hat der Arbeitnehmer sich mit Corona infiziert, wird er wohl krankgeschrieben werden. Es besteht dann für die Dauer von 6 Wochen ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem. § 3 EFZG – er ist nicht durch Eigenverschulden ausgeschlossen.
Urlaubsort war bereits bei Antritt des Urlaubs Risikogebiet
- Vergütung bis zum Testergebnis
War der Urlaubsort bereits bei Reiseantritt Risikogebiet, wird man die Zahlung wohl komplett verweigern können. Ein Anspruch aus § 616 BGB dürfte wohl kaum bestehen, weil der Arbeitnehmer sowohl die Quarantäne als auch die „arbeitsfreie Wartezeit“ bis zum Testergebnis verschuldet hat.
- Keine Vergütung im Falle einer Infektion?
Hat der Arbeitnehmer sich mit Corona infiziert, besteht möglicherweise auch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem. § 3 EFZG – er hat seine Infektion ja wohl selbst verschuldet. Zwar kann man sich über ein Verschulden streiten: Auch im Zusammenhang mit Risikosportarten wird ja immer wieder diskutiert, ob Verletzungen selbstverschuldet sind; die Rechtsprechung lehnt ein Verschulden derweil regelmäßig ab. Doch möglicherweise kann die Frage einer Vergütungspflicht offen bleiben, weil bzw. soweit eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz gezahlt wird – auch dies ist derzeit noch nicht endgültig geklärt.
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